NEUROMARKETING

Um die kognitiven Prozesse des Menschen auf tiefer Ebene zu erforschen werde ich in dieser Arbeit einen Überblick über das Neuromarketing geben. Zunächst will ich die Funktion des Gehirns verstehen und die Daten die wir daraus sammeln können. Welche Technologien gibt es bereits und was ist der aktuelle Trend in der Neurowissenschaft. Um die Methode als Erhebungsmethode für die Marktforschung einzuordnen werden noch Anwendungsfelder betrachtet sowie die Chancen und die Gefahr bei der Anwendung solcher Technologie.


Das Gehirn

Dies hier ist keine medizinische Fachzeitschrift, weshalb auf detaillierte Beschreibung des Gehirns und Fachtermini verzichtet wird. Es sei jedoch im Hinblick auf die vorgestellte Erhebungsmethode folgendes geschrieben:

Die Untersuchung des menschlichen Gehirns ist eine ehrfurchtsvolle Aufgabe. Das menschliche Gehirn ist ein wahres Wunderwerk. Ein komplexes Gebilde aus Milliarden Nervenzellen, die für die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung von Informationen zuständig sind. Unzählige Windungen und Bereiche, einer zuständig für Emotion, der andere empfängt visuelle Informationen und noch ein anderer lässt unseren Humor entstehen; aber doch sind sie nicht scharf voneinander zu trennen. Die chemischen und elektrischen Vorgänge, die zur Reizübertragung dienen, sind die Basis für die Messung. Auch wenn die Transmittermoleküle innerhalb von ca. 0,1 Millisekunden den synaptischen Spalt durchqueren und das Aktionspotential eine Geschwindigkeit von bis zu 2 Metern pro Sekunde erlangt, so hinterlassen diese Vorgänge immer ein individuelle Spur. Je nach Intensität bzw. Komplexität der Information sogar eine stärkere oder schwächere. Dieser Spur folgt die Neurowissenschaft. Wie genau, das wird hier erläutert.


Die Neurowissenschaft und die Psychologie

Und genau das ist ein Teilgebiet der Neurowissenschaft. Das Messen der neuronalen Prozesse und die Erkenntnisse über die das Zusammenspiel von Gedanken und Handlung. Die kognitive Psychologie möchte die neu gewonnenen Erkenntnisse über die physiologischen Funktionen des Gehirns natürlich mit den traditionellen Theorien wie der Entscheidungsfindung verbinden.

Das Neuromarketing ist eine Schnittstelle vieler Disziplinen. Hier wird sowohl durch Erkenntnisse der Hirnforschung, der Marktforschung sowie der Psychologie vorgegangen. Für die Praxis wohl am relevantesten ist die Fragestellung über das tiefe Entstehen von Kaufentscheidungen und wie man dieses beeinflussen kann. Das „Unterbewusstsein“ ist für manche Wissenschaften ein umstrittenes Konstrukt, da es sich nicht quantifizieren lässt, Daher galt es lange Zeit als unwissenschaftlich. Im Alltag geben wir unterbewussten Entscheidungen oft Namen wie Intuition oder Bauchgefühl, da sie uns plötzlich ins Bewusstsein treten. Die Annahmen über seine Existenz sind in der Psychologie schon seit Freud diskutiert und weitestgehend anerkannt. Damasio spricht bereits 1994 davon, dass 95% aller Denkprozesse die zu einer Entscheidung beitragen, unterbewusst sind (Raab, 2009).

In der Neurowissenschaft kam mit dem Fortschritt der Technologie auch die Einsicht dazu, „dass im menschlichen Gehirn neuronale Prozesse und bewusst erlebte geistig-psychische Zustände aufs Engste miteinander zusammenhängen und unbewusste Prozesse bewussten in bestimmter Weise vorausgehen. Die Daten, die mit modernen bildgebenden Verfahren gewonnen wurden, weisen darauf hin, dass sämtliche innerpsychischen Prozesse mit neuronalen Vorgänge in bestimmten Hirnarealen einhergehen – zum Beispiel Imagination, Empathie, das Erleben von Empfindungen und das Treffen von Entscheidungen beziehungsweise die absichtsvolle Planung von Handlungen“ (Spektrum).


Das Bewusstsein

Studien belegen, dass manche Werbungen stärker auf uns wirken, wenn wir sie nicht bewusst wahrnehmen. In diesem Zusammenhang meint man, dass man nicht aufmerksam ist während man dem Reiz ausgesetzt ist. Wir sind fähig unsere Wahrnehmung zu steuern. Diese selektive Natur der Aufmerksamkeit macht es uns möglich uns auf einen bestimmten Reiz zu konzentrieren. Bei der Anwendung der neurowissenschaftlichen Methoden für eine wirtschaftspsychologische Fragestellung sollte man sich aber auch bewusst darüber sein, dass die externe Validität dadurch leiden kann, wenn der Proband sich z.B. aufmerksam mit dem Produkt auseinander setzen soll. Man muss auch beachten wie die Konsumenten durch die reizüberflutete Produktlandschaft laufen. Wie bereits angemerkt, sind unterbewusst verarbeitete Reize manchmal sogar prägender für unser Verhalten, obwohl wir uns nicht bewusst erklären können wieso.

Lernen und Erinnern

Sehen wir uns noch einmal die Stiefel auf der Königsstraße an. Sobald wir etwas bewusst wahrnehmen laufen viele kognitive Prozesse ab. Außer den bewussten Denkprozessen wie etwa dem abwägen rationaler Argumente auch automatische oder unterbewusste Prozesse. Die Sinnesorgane erfassen die visuellen Informationen über Größe, Farbe, Form und die haptische Eigenschaften oder den Geruch. Diese Informationen werden mit unserem Langzeitgedächtnis abgeglichen. Dadurch dass der Mensch einen Willen dazu hat, Muster zu erkennen ist es möglich, das gelernte wieder abzurufen und auf ähnliche Reize anzuwenden. Mit dem Abrufen der Erinnerung werden gleichzeitig auch damit verbundene Erlebnisse und Emotionen ausgelöst. Wir bewerten den Reiz danach ob er uns gefällt oder nicht. Ob wir ein gutes Gefühl dabei haben oder nicht.

Wie Emotionen unsere Entscheidungen beeinflussen

Entscheiden bedeutet, die Urteilsbildung über und das Wählen zwischen Alternativen. Die Kaufentscheidung bedeutet, Bedürfnis oder Problem erkennen, Informationen suchen und die Alternativen bewerten. Vor allem ist hier die Urteilsbildung wichtig, die im Endeffekt zur Kaufabsicht führt. Würde der Mensch gemäß dem betriebswirtschaftlichen Modell des Homo Oeconomicus handeln, dann würde er total rational alle Informationen über alle Handlungsalternativen und deren Konsequenzen und über den Markt und alle Güter abwägen und zu der Entscheidung finden, die ihm den höchsten erwarteten Wertgewinn bringt. Das gibt es in der Realität aber nicht, die Menschen fällen ihr Urteil wohl doch eher danach, ob das Produkt von einem Freund empfohlen wurde oder ob es viele positive Rezensionen zu dem Produkt gibt. Neben Bestimmungsfaktoren wie Budget und der Einstellung zu Produkt und Markenimage sind vor allem die motivationalen und emotionalen Faktoren wichtig für die Urteilsfindung
Emotionen sind ein physisches und psychisches Phänomen, eine Reaktion des Körpers auf bewusste und unbewusste Reize. Angst, Ekel, Überraschung, Freude, Trauer und Ärger sind die Basisemotionen, die alle Menschen gemeinsam haben und die es uns auch ermöglichen miteinander, meist nonverbal, zu kommunizieren ohne dieselbe Sprache zu sprechen. Sozusagen ein kulturunabhängiges Kommunikationsmittel. Emotionen sind Erregungen, die unsere Handlungsweise direkt beeinflussen können. Nicht die Rationalität führt uns beim Shopping zur Entscheidungsfindung sondern unsere Affektivität und unsere Intuition. Oft heißt es, dass mit manchen Werbestrategien Impulskäufe beabsichtigt sind. Genau diese Impulsivität hat oft einen bitteren Beigeschmack, als ob wir nicht mit dem bewussten Verstand durch die Welt gingen, sondern uns verhielten wie instinktgesteuerte Tiere. Dies versucht sich die Werbe- und Konsumentenpsychologie zunutze zu machen indem Produkte mit positiven Emotionen und Erleben assoziiert werden. Denn die letztendliche Kaufentscheidung wird, wie bereits erwähnt, durch Emotionen beeinflusst.




Untersuchungsmethoden

Hier soll ein Überblick und Einblick in die technischen Methoden der Neurowissenschaft gegeben werden. Seit den 70er Jahren wird das sogenannte Neuroimaging für die Anwendung in der Marken- und Konsumentenforschung immer attraktiver und weiterentwickelt. Mit dem Neuroimaging kann dir Gehirnaktivität zeitgleich beobachtet werden, das heißt die unterbewussten Vorgänge werden visualisiert und können interpretiert werden.
Folgende Tabelle gibt einen Überblick über die eingesetzten Verfahren und ihre zugrundeliegenden physiologischen Vorgänge anhand derer gemessen wird:



Messung der Gehirn­aktivität

Messung der Veränderung der Stoff­wechsel­vorgänge im Gehirn

EEG: Elektro­enze­phalo­graphie

PET: Positionen­emissions­tomo­graphie

MEG: Magnet­enze­phalo­graphie

fMRT: funktio­nelle Magnet­resonanz­tomo­graphie



Messung der elektrischen Gehirnaktivität

Jede Nervenzelle des Gehirns erzeugt bei jeder Reizweiterleitung einen leichten Strom von ca. 1/10 Volt. Dieser Strom lässt sich messen. Dazu gibt es wie in der Übersicht bereits gesehen, zwei gängige Verfahren, die im Folgenden kurz beschrieben sind:

Die EEG



EEG


Die Elektroenzephalographie oder kurz EEG misst die elektrischen Ströme bzw. die Reize die durch die Nervenzellen weitergeleitet werden. Die Ladungsverschiebungen erzeugen Spannungen an der Oberfläche des Gehirns. Zur Messung werden bis zu hundert Elektroden auf die Kopfhaut aufgebracht, oft durch eine Art Badekappe. Diese ermöglichen eine genaue Auflösung der Gehirnaktivitäten bis in den Bereich von Millisekunden. Allerdings können nur oberflächliche Aktivitäten gemessen werden, man kann die einzelnen Entstehungsorte innerhalb des Gehirns nicht räumlich nachkonstruieren. Durch vorherige Vermutungen und nachträgliche mathematische Berechnungen können die Daten noch etwas genauer gemacht werden. Allerdings ist die Aussagekraft des EEG zu unterbewussten Denkprozessen, im Vergleich zu den anderen Methoden eher gering. Die Anordnung der Elektroden ist durch ein internationales Schema vorgeschrieben um die richtige Messung zwischen bestimmten Punkten zu garantieren. Das EEG dauert je nach Untersuchungsobjekt ca. 1 h, ist dabei aber vollkommen schmerzfrei für den Patienten. Es findet seine Anwendung vor allem in der Diagnose von Epilepsien, Schlafstörungen und Nachlassen der Denkleistung bis hin zum Hirntod.


Die MEG


Jede Nervenzelle des Gehirns erzeugt bei jeder Reizweiterleitung einen leichten Strom von ca. 1/10 Volt. Dieser Strom lässt sich messen. Dazu gibt es wie in der Übersicht bereits gesehen, zwei gängige Verfahren, die im Folgenden kurz beschrieben sind:

MEG


Das Induktionsgesetz lehrt uns, dass bei jeder elektrischen Bewegung auch ein Magnetfeld entsteht. Diesen Elektromagnetismus des Gehirns macht sich das Messen durch die Magnetenzephalographie zunutze. Durch die hochsensiblen Detektoren, die sogenannten SQUIDs können die minimalen magnetischen Signale gemessen werden (Wikipedia, MEG). Die Detektoren reagieren allerdings so empfindlich auf Störsignale, dass das MEG Messgerät nur in einem speziell abgeschirmten Raum verwendet werden kann. Auch ist wichtig für den Versuchsaufbau, dass z.B. die reine Augenbewegung ein großes magnetisches Feld erzeugt. Hier dienen während der Messung zusätzliche Elektroden zur späteren Korrektur. Außerdem sind die Anschaffungs- und Betriebskosten sehr hoch. Diese zusätzlichen Kosten schlagen sich aber im Vorteil gegenüber dem EEG nieder. Hier können bei gleicher zeitlicher Auflösung sogar die Aktivitäten auch in tieferen Hirnstrukturen räumlich dargestellt werden. Das gibt Aufschluss über z.B. emotionale Vorgänge. Allerdings ist trotz 3-dimensionaler Darstellung der elektrischen Ströme, wie beim EEG, trotzdem kein Rückschluss auf die Positionen der Entstehung möglich.




Messung der Stoffwechselvorgänge

Im Gegensatz zu den eben beschriebenen Verfahren ist für die folgenden Verfahren nicht der elektrische Strom oder dessen Magnetfeld als Messvariable benutzt, sondern die biochemischen Aktivitäten des Gehirns. Jede Aktivität benötigt Energie, diese wird im Gehirn wie auch in anderen Zellen durch den Verbrauch von Sauerstoff und Glucose bereitgestellt. Sind die Neuronen aktiv und verbrauchen Energie, so wird das entsprechende Gewebe mit sauerstoffreichem Blut angereichert. Der Vorteil ist, dass sauerstoffreiches Blut eine andere Hämoglobinbindung hat, diese hat andere magnetische Eigenschaft als sauerstoffarmes Hämoglobin (Liebisch, 2015). Sauerstoffarmes Hämoglobin stört die magnetische Flussdichte, umso mehr Aktivität also in der Nervenzelle ist, desto besser ist das Messsignal. Dieser Effekt wir auch als BOLD (blood oxygen level dependent contrast) bezeichnet. Die Querschnittsbilder zeigen sehr gut den Aufbau der einzelnen Gewebestrukturen bis in die Tiefen des Gehirns:

Brain


Die PET


PET


Bei der Positronen-Emissions-Tomographie wird dem Probanden dazu ein schwach radioaktives Kontrastmittel injiziert. Beim Zerfall dieser Radionuclide wird Gammastrahlung erzeugt. Die Detektoren des PET können diese Gamma-strahlen sekundengenau räumlich erfassen. Obwohl die PET sehr genau lokalisieren wo im Gehirn eine Reizweiterleitung stattfindet ist sie ungemein teuer. Die Anschaffung kostet bis zu 3 Millionen € und die Kosten pro Untersuchung belaufen sich auf 1500€ (Memento, 2016). Trotz innovativer Technik, bleibt es durchaus fraglich ob es als standardmäßige Methode für die Marktforschung Anwendung findet.

Die fMRT


FMRT


Auch dieses Verfahren benutzt den veränderten Sauerstoffgehalt des Blutes zur Messung. Während der funktionellen Magnetresonanztomographie werden die Probanden einem sehr stark schwankenden Magnetfeld ausgesetzt. Wie auch bei der PET wurde ihnen im Vorhinein ein Kontrastmittel gespritzt um den Wasseranteil im Gewebe zu erkennen. Der ist hier von großer Bedeutung, denn die Moleküle des Wassers funktionieren unter dem Magnetfeld wie kleine Magneten, die sich entsprechend ausrichten und dadurch Impulse aussenden.

Dadurch ergibt sich eine sekundengenaue Auflösung bis zu 3-5mm in der ein Signal 3 dimensional lokalisiert werden kann. Das Gehirn lässt sich also nahezu realistisch in Echtzeit darstellen und die Kontraste geben die Hirnaktivität wieder. Natürlich bringt das auch eine komplexe Reihe an Daten mit sich, deren Analyse sehr aufwendig ist. Allerdings sind auch hier die Anschaffungskosten mit 2 Millionen € kein Schnäppchen und eine Untersuchung beläuft sich auf ca. 500€.




Wie man Informationen gewinnt


Wichtig ist nach der Funktionsweise des Körpers und der Technik nun auch die Erkenntnisse zusammenzutragen, die wir als Marktforscher aus der Methode erlangen können. Wie bereits zu Anfang geklärt, ist die Aufgabe der Marktforschung, das Sammeln und Auswerten sowie verständliche Aufbereiten der Informationen. Damit auf Grundlage dieser Informationen wiederum strategische Entscheidungen getroffen werden können, müssen sie auch dem Forscher-Laien verständlich und problemgerecht vermittelt werden. Wie also bekommen wir aus unzähligen 2 und 3D Querschnitten des Gehirns eine sinnvolle Kenntnis über das, was im Kunden eigentlich vorgeht und somit eine solide Entscheidungsgrundlage.

Zunächst einmal wollen wir das Gehirn standardisieren. Jedes Gehirn ist individuell, und wie die derzeitige Literatur berichtet sind nicht alle Bereiche des menschlichen Gehirnes untersucht, geschweige denn zu 100%iger Sicherheit mit einer Funktion versehen. Es gibt viele Grauzonen, das Gehirn ist zu komplex um die Areale direkt voneinander abzugrenzen. Und so wie jeder Mensch seine ganz eigenen Erfahrungen macht und subjektive Gefühlszustände hat, so funktioniert auch jedes Gehirn einzigartig. Man behilft dich bei dieser unscharfen Datenbasis damit, dass alle gescannten Gehirne übersetzt werden in ein Standardgehirn (template brain) (Raab, 2009). Um unterschiedliche Gehirne so gleich wie möglich auszurichten orientiert man sich an biologischen Strukturen die allen Gehirnen gemein sind. Z.B. Den Kommissuren (Querbahnen, Verbindungen) zwischen der rechten und linken Hirnhälfte. Diese Markierungen dienen als y-Achse, die z-Achse wird entsprechend orthogonal in Richtung der interhemispähren Fissur (dem einen großen Spalt zwischen den zwei Gehirnhälften) gelegt. Die x-Achse wird entsprechend mathematischer Regel rechtwinklig zu beiden gelegt und man hat ein Koordinatensystem mit dem sich jeder Punkt im Gehirn lokalisieren lässt und das vergleichbar für mehrere Gehirne. Wissen wir doch aus der statistischen Praxis, dass der Forscher bei der Deutung seiner Ergebnisse gerne wissenschaftlich bleibt und genauso gerne viele Mittelwerte bildet. So kann man nun mehrere Scans übereinander legen um seine Hypothesen zu prüfen.

Insgesamt betrachtet ist die aufwendige Datenanalyse die diese bildgebenden Verfahren benötigen sehr nachteilig. Obwohl uns die computergestützten Systeme immer mehr Arbeit abnehmen und die Wissenschaft immer mehr Fortschritte macht ist es noch ein langer Weg bis die Bilder exakte Daten liefern. Wir wissen aber schon jetzt, dass wir keine Gedanken lesen können. Sollen wir diese hohen Technologien also der Medizin überlassen oder sollen wir sie nutzen um unseren Slogan noch emotionaler auf unsere Zielgruppe zuzuschneiden und unsere Stiefel besser an die Frau zu bringen?




Nachteil herkömmlicher Marktforschungsmethoden

Das Problem bei den herkömmlichen Methoden der Marktforschung wie etwa der Befragung zur Wahrnehmung ist, dass die Kunden sich weder bewusst Gedanken über jede Kaufentscheidung machen, noch immer Zugang zu seinen unterbewusst abgelaufenen Heuristiken oder etwa lange versteckten Emotionen hat die ihn zu der Kaufentscheidung trieben. Die konstruierten Antworten und auch die Rechtfertigungen sind sehr wohl im Bewusstsein und erfüllen auch ihren Zweck für die Kunden, würden sich die Kunden allerdings wirklich so viele Gedanken machen, würden sie im Supermarkt wohl eher verhungern (Implicit-Marketing, 2015). Gibt ein Proband z.B. eine vermeintlich falsche Auskunft darüber, dass ihm das Markenprodukt besser schmeckt als ein noname Produkt, so kann der Marktforscher mithilfe des bildgebenden Verfahrens sehen, dass in dem Moment der Konstruktion der Antwort dieselben Gehirnregionen aktiv sind, die auch das Selbstbild eines Menschen entwickeln. Wiederum bei anderen Versuchen hat man festgestellt, dass ein Rabattschild dafür sorgen kann, dass vorübergehend die Gehirnregionen für Selbstkontrolle nicht so stark durchblutet werden


Wir können durch Neuromarketing mehr Informationen generieren, als mit bisherigen Methoden!



Bildgebenden Verfahren lassen sich überall da einsetzen, wo man Informationen bekommen will, die sich aus bereits bekannten Gehirnregionen ableiten lassen. Man muss sich allerdings auch vor Augen halten, dass die Interpretation der Daten immer mit Vorsicht zu genießen ist und wir nicht die Gedanken der Konsumenten lesen können! Und auch, dass diejenigen Verfahren die uns viele aufschlussreiche Daten liefern gleichzeitig auch mit hohen Kosten verbunden sind. Vor diesem Hintergrund werden Beispiele gezeigt, für die das Neuromarketing bereits eingesetzt wurde und wird.




Emotional Branding

Wie jeder Psychologe und Marketingstrategie weiß, sind die Menschen vollgeladen und gesteuert von ihren Emotionen und das beeinflusst auch die Kaufentscheidung. Seit einigen Jahren hat das Marketing die Aufgabe seine Marke emotional aufzuladen und dementsprechend zu kommunizieren. Das Emotionalisierungspotenzial von Marken wurde bisher mit einer Likert-Skala abgefragt, welche z.B. die Markenpersönlichkeit messen sollte. Aber hat wirklich jeder Proband so eine Empathie für seine eigenen Emotionen? Zu mindestens können die impliziten Emotionen nicht richtig kommuniziert werden. Hier kommen bildgebende Verfahren gut zum Einsatz um die „wahren“ Gefühlsausbrüche unverblümt ans Licht zu bringen. Mit dem EBM (Emotional Branding Monitor) können so die unterbewussten Wahrnehmungsvorgänge im Bezug auf die Marke gemessen werden. Ähnlich wie beim IAT (Impliziter Assoziationstest) werden verschiedene Bilder gezeigt die die wesentlichen Emotionen auslösen. Diese sollen der jeweiligen Marke zugeordnet werden. Über die Reaktionszeit lässt sich nun messen ob die Marke mit der jeweiligen Emotion assoziiert wird oder nicht.

Die Ergebnisse einer Studie über die emotionale Aufladung von Automarken mit 516 Probanden zeigten hierbei, dass Porsche sehr stark mit Abenteuer, Dominanz und Erotik assoziiert wird und eine positive emotionale Ladung besitzt. Während Mercedes mit Sicherheit und Tradition gezielt eine andere emotionale Aufladung besitzt. Mit Hilfe des Neuromarketing kann also die Markenpolitik kontrolliert und gesteuert werden.

Das Problem hierbei ist, dass bereits vor der Untersuchung fundierte Kenntnisse über die Areale vorliegen müssen, die für emotionales Empfinden zuständig sind (Raab, 2009). Es gibt eine Methode um diese Annahmen über die Gehirnregionen zu bestätigen. Den sogenannten „Methaphor Elicitation Process“ (MEP). Nicht jeder kann seine komplexen Gefühle während einer Werbespotpräsentation gut formulieren. Deshalb benutzt man für solche Tiefeninterviews Metaphern. Die Probanden sollen Bilder dazu beschreiben, was sie mit einer Erfahrung assoziieren. Der Interviewer soll den Befragten dazu bringen, keine genaue Antwort zu geben, sondern nur in Bildern zu sprechen. Beim Vorlegen eines Vogels beispielsweise treten im Laufe des Gesprächs unterbewusste Gefühle wie „Freiheit“ oder „Unabhängigkeit“ hervor.

So kreativ diese Technik scheint, kann man doch mittels der bildgebenden Verfahren diejenigen Gehirnareale beobachten, die währenddessen aktiviert werden. Ob es sich um positive oder negative Gefühle handelt, die der Proband erlebt. So lässt es sich dann auch im Gegenzug herausfinden ob beim Anblick einer Werbeanzeige wieder dieselben Gehirnareale aktiviert werden und im Endeffekt kann man die traditionelle Befragung durch die Anwendung neuropsychologischer Verfahren erweitern.




Werbewirkungsmessung

Die Menschen sind mehr und mehr einer Flut von Werbereizen ausgesetzt, da ist es immer schwieriger eine Werbung zu gestalten, die gezielt Aufmerksamkeit erregt und dem Kunden, ob bewusst oder suggestiv, in Erinnerung bleibt. Auch gleichen sich die Werbungen immer mehr an und die Slogans werden mit den Motiven die sie ansprechen, seien es Freude, Geselligkeit oder Abenteuer, immer abstrakter. Man kann von der Werbung nicht mehr darauf schließen, ob es eine Biermarke oder eine Margarine ist, die mit der Berglandschaft beworben wird.

Der Konsument bekommt in dieser Flut aus Stimuli ein Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung. Er sucht sich eine Marke und bleibt auch mit dieser in Beziehung, auch bei wenig Vertrauen oder Zufriedenheit verspürt er keine Wechsellust. Da wäre auch jede Wahrnehmung zusätzlicher Werbung verschwendete kognitive Anstrengung. Wenn wir die Verbraucher zu ihrer Einstellung befragen, so fällt es ihnen auch nicht so leicht ihre Urteile über eine Marke oder Werbung genau zu formulieren, denn sie haben nicht die Motivation sich damit auseinanderzusetzen. Sie haben sich ja schon eine Marke gewählt.

Das EEG kann uns aber unabhängig vom wirklichen Verhalten der Verbraucher zeigen, welche impliziten Reaktionen beim Betrachten eines Slogans, Spots o.ä. ablaufen. So sehen wir z.B. Reaktionen im Belohnungs-, Vermeidungs- und Steuerungszentrum. Diese Methode kann also genutzt werden, um die eigene Werbung noch weiter zu optimieren oder schon vor der Einführung einer Werbekampagne zwischen Alternativen zu entscheiden, je nachdem ob sie implizit positive oder negative Gefühle wecken.




Preisforschung

Die Neuropsychologie hat dem Marktforscher bereits aufzeigen können, dass nicht alle Gedanken bewusst formuliert oder argumentiert werden können. Viele gedankliche Verarbeitungsschritte laufen unzugänglich für unser Bewusstsein ab. Die bildgebenden Verfahren haben uns beim Beweis dieser Annahmen geholfen, aber auch ohne den Einsatz von Geräten lassen sich die neuropsychologischen Ansätze nutzen. Beispielsweise zur Umstrukturierung von Befragungen:

Die Festlegung eines für den Kunden angemessenen Preis hat direkt Folgen für den Absatz und den Gewinn den ein Unternehmen erzielen kann. Hier gilt es also genaue Informationen darüber zu erhalten, welcher Preis für den Kunden angemessen ist. Die Neuropsychologie legt dazu das Modell zu Grunde, dass ein Preis nicht bewusst, langwierig und rational analysiert wird, sondern wie alle Urteilsbildungen auch intuitiv für günstig oder teuer empfunden wird. Diese ganz unwillkürlich entstehende Empfindung bildet sich daraus, welche bisherigen Preiserfahrungen und welche Erwartungen der Proband hat.

Die Probanden werden hier weder zu ihrer Preiserwartung befragt, noch werden Ihnen Preise vorgeschlagen. Das sogenannte „price.condenser“ Verfahren funktioniert so, dass dem Probanden lediglich das Produkt vorgelegt und Ziffern. Der Proband soll nun die Ziffern so anordnen, dass das Resultat am ehesten seiner intuitiven Preisvorstellung entspricht. Die so ermittelten Zahlen werden in eine Wahrscheinlichkeitsverteilung überführt und geben Aufschluss über den Bereich eines angemessenen Preises. So wurde beispielsweise der Preis einer bekannten Biermarke, deren Ladenpreis seit jeher bei 3,75€ liegt, durch herkömmliche Methoden auf nur 3,02€ ermittelt. Das neuropsychologische Verfahren ergab einen unteren Median von 3,68€ und einen zweiten bei 4,12€. Wäre also der validere Prädiktor für einen erfolgreichen Vermarktungspreis.


Fazit



Ich persönlich wurde beim Recherchieren und studieren des Themas Neuromarketing in meinen Erwartungen an die Methoden enttäuscht. Ich dachte, dass ein Verfahren, dass sich seit Jahren in der Medizin zur Diagnose von Krankheiten in der Medizin durchsetzt und ständig weiterentwickelt wird schon mehr leisten kann. Allerdings habe ich auch viel Aufschluss darüber erlangt, dass es nicht ohne Grund so viele verrückte medizinische Begriffe für jeden Voxel des Gehirns gibt. Das Gehirn ist nun wirklich ein unendlich verwirrtes und schwer zu begreifendes Organ. Bedenkt man, dass das Gehirn das einzige Organ ist, das sich selbst untersucht, so sind wir in den Jahrtausenden der Medizin nicht zu mehr Erkenntnissen über die Gedankenwelt der Menschen gekommen als die Psychologie in den letzten 200 Jahren. Wenn wir also beide Disziplinen vereinen kann es ja nur besser werden.

Ich glaube auch, dass wir durch die traditionellen Marktforschungsmethoden eine gute und nötige Grundlage haben um mit computergestützten Verfahren weiter zu forschen. Aber ich denke auch, dass wir unsere Grenzen dahingehend erweitern sollten, dass wir uns nicht selbst durch die Begriffe oder eher Bedeutungen einschränken lassen, die die verschiedenen Disziplinen, sei es Medizin, Marktforschung, Statistik oder Informatik, für sich haben. Das schwierige an Schnittstellenwissenschaften wie dem Neuromarketing ist das Übersetzen von „Gefühlen“ in „Gewebe“ und von „Volt“ in „Erregung“. Vielleicht sollte jede Disziplin ein bisschen über ihren Tellerrand schauen und man findet zusammen eine Lösung. Man könnte zum Beispiel neue Begriffe erfinden wie „Kraptikruxel“. Was nicht nur etwas über die psychologische Variable für positiv erlebte Emotionen aussagt aber gleichzeitig auch impliziert in welcher Gehirnregion die entsprechende Sauerstoffanreicherung lokalisiert wurde. Also die Konstrukte die wir untersuchen wollen neu definieren und dabei alle Erkenntnisse, psychologische, medizinische und biologische, mit einbeziehen.

Bis zu dem Zeitpunkt an dem man durch bildgebende Verfahren tatsächliche Aussagen über Gedanken und Vorhersagen über Verhalten treffen kann steht noch viel Arbeit und auch Akzeptanz vor uns. Ich finde es gut, dass man den Einsatz solcher Techniken ausprobiert. Nur durch solch innovatives und kreatives Einsetzen von Methoden kann man deren Richtigkeit herausfinden und irgendwann vielleicht auch Einsatzkosten verringern. Allerdings sollte man nicht so viel Aufhebens darum machen, wenn jemand die Wortsilbe „neuro“ benutzt, nur um damit anzudeuten, dass seine Verfahren in das Gehirn der Probanden schauen können. Es gibt bei jeder Methode Grenzen. Man muss auch den eigentlichen Nutzen und Hintergrund bedenken zu dem diese Maschinen entwickelt wurden.

Zwar wird schon seit Jahrzehnten auch an gesunden Gehirnen geforscht und natürlich werden diese Informationen durch z.B. die Konsumgüterindustrie bezahlt, allerdings steckt das Neuromarketing noch in den Kinderschuhen. Mit tragbaren Methoden wie dem EEG oder auch dem mobilen Eyetracker lassen sich die Erkenntnisse valider auf die Realität übertragen. Steckt man allerdings den Probanden in eine raumfüllende, ohrenbetäubende Röhre in der er für 20-30 Minuten regungslos verharren muss und durch eine Spiegelkonstruktion Reizen ausgesetzt wird, dann bringen auch die Worte „Verhalten Sie sich ganz natürlich“ nicht viel um die erhobenen Daten ernsthaft auf die Kaufsituation zu übertragen.

Es ist mehr als nur ein Gadget, man kann sicherlich viele neue Erkenntnisse durch den Einsatz von Neuromarketing gewinnen. Jetzt, da die Menschen die Kränkung verarbeitet haben, dass sie nicht Herr Ihrer Selbst sind und in uns allen noch weitere, unterbewusste Prozesse ablaufen, macht es uns neugierig zu wissen, was wir denn tief im Inneren eigentlich denken. Also auch ob gesunde Menschen, wenn man nach Freuds Annahmen geht, auch beim Kauf von Stiefeln insgeheim doch an Sex denken?


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