Abstract
Es wird behauptet, dass Kinder unter acht Jahren nicht die ausgebildeten kognitive Fähigkeit haben, um die persuasiven Effekt von Fernsehwerbung zu verstehen und zu reflektieren. Kinder bis fünf können sogar nicht zwischen Fernsehprogramm und Fernsehwerbung unterscheiden (Wilcox, et al., 2004) . Unternehmen bedienen sich dabei einfacher psychologischer Effekt, um die Loyalität der Zielgruppe bereits in jungem Alter zu festigen. Deshalb ist es umso wichtiger, herauszufinden, ob es in Werbespots über Süßigkeiten, Frühstückscerealien und Süße Getränke übermäßig mehr Kindesdarstellungen gibt, als bei Produktkategorien, die für eine ausgewogene und gesunde Ernährung wichtig sind. Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen der Darstellung von Kinderschauspielern und der beworbenen Produktgruppe. Die Ergebnisse zeigen, dass zuckerhaltige Lebensmittel eher durch Werbespots beworben werden, in denen Kinder zu sehen sind. Zudem wird in Werbespots mit Kindern eher an Spaß und Unterhaltung appelliert, als in Werbespots ohne Kinder. Eine wichtige Handlungsempfehlung ist, dass sowohl die Eltern als auch die verantwortlichen Unternehmen für ausreichend Bewusstsein über den Umgang mit Medien, sowie eine ausgewogene und gesunde Ernährung sorgen.
Einleitung
Lebensmittelhersteller zeigen durch immer neue Marketing Tricks ihre großen Mühen, die Risiken des hohen Zuckeranteils in ihrem Lebensmittel herunterzuspielen. Es gibt inzwischen vielerlei Produkte, die sich speziell an Kinder richten und dabei durch eine gesunde und ausgewogene Ernährung beworben werden. Beispielsweise die Apfel-Chips bei McDonald’s oder der Kinderketchup , welcher durch „natürliche Apfelsüße“ gezuckert ist. Die Süße in Äpfeln besteht zu etwa 66% aus Fructose (Fruchtzucker), welche bei gleicher Kalorienzahl die höchste Süßkraft unter allen Zuckern besitzt (Rosenplenter & Nöhle, 2007). Allerdings ist ein zu hoher Fructosekonsum gleichermaßen gesundheitlsschädlich wie Glucose (Tafel- oder Traubenzucker) oder Saccharose (Haushaltszucker; die Kombination aus Glucose und Fructose) (Olschewski, 2012). Obwohl Fruchtzucker meist in Kombination mit natürlichen Obst und damit den enthaltenen Vitamenen verzehrt wird, zeigen Untersuchungen doch, dass ein übermäßiger Konsum von allen Zuckern ein Faktor für Überernährung sein kann. Obwohl das Übergewicht neben genetischen Prädispositionen noch viele andere Faktoren als Ursache haben kann, so kann eine zuckerreiche Ernährung sehr energiereich sein und damit wird der tägliche Kalorienhaushalt schnell überschritten. Das daraus resultierende Übergewicht kann schwerwiegende Folgeerkrankungen wie Diabetis, Karies, Leber- und Herzkreislauferkrankungen zur Folge haben (WHO, sugar intake, 2015). Dieser Projektbericht soll deshalb eine Antwort auf die Forschungsfrage liefern: welche Produktkategorien werden besondern durch die Erscheinung von Kinderschauspielern beworben werden und inwiefern lässt sich ein systematischer Unterschied in der Zuckerhaltigkeit der Produkte erkennen?
Theorie
Die zehn Regeln der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wurden „auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkentnisse formuliert“ um ein vollwertiges Essen und Trinken umzusetzen. Dabei besagt Regel Nr. 6: „Zuckergesüßte Lebensmittel und Getränke sind nicht empfehlenswert. Vermeiden Sie diese möglichst […]. (diese) sind meist nährstoffarm und enthalten unnötige Kalorien.“ (DGFE, 2018) Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO rät Erwachsenen und Kindern dazu, dass nur ein maximaler Anteil von 10% (idealerweise 5%) der täglichen Energie aus Zucker bezogen werden soll, um die Gesundheit langfritig zu verbessern (WHO, sugar intake, 2015). Die Angabe des Zuckergehaltes von Lebensmitteln und Getränken ist im Rahmen der Nährwertkennzeichnung durch das europäische Recht gesetzlich geregelt. Die einzelnen Zuckerarten, die bei der Herstellung verwendet werden müssen verpflichtend im Zutatenverzeichnis aufgeführt werden. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. sollen 50% der täglichen Energie durch Kohlenhydrate zugeführt werden (BLL, 2015). Bei einer deutschen Studie im Januar 2017 gaben bereits 45% der 1007 Befragten an, dass Sie bei Lebensmittelverpackungen besonders auf den Zuckergehalt schauten, wohingegen nur 28% den Fettanteil und 15% aud die E-Nummerierung achteten. Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Farbstoffe und Kohlenhydrate finden sogar noch weniger Beachtung bei den Befragten (Statista, 2018) Die Organisation Foodwatch hat offiziell den „babygerechten“ Keks der Marke Alete zur „dreistesten Werbelüge des Jahres 2017“ gekürt, da dieser ganze 25% Zucker enthält. Laut der Wahlleitung Sophie Unger nutzt Alete „sein positives Image bei Eltern aus, um auf Kosten der Kleinsten Kasse zu machen – das grenzt an Körperverletzng durch Irreführung“. Foodwatch gibt aber auch der Gesetzgebung die Schuld, so dürften laut „EU-Verordnung über Babaylebensmittel […] selbst Kekse mit einem Zuckergehalt von bis zu 34 Prozent noch als empfehlenswerte Produkte für Säuglinge beworben werden“ (Foodwatch, 2017). Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO, soll starkes Marketing für energiereiche Lebensmittel bei jungen Zielgruppen, ein möglicher Faktor für das Übergewicht bei Kindern und jungen Erwachsenen sein (Kelly, 2012). Die zu dicken Kinder sind ein immer wiederkehrendes Thema in der Presse und Vorhersagen glauben an eine „Übergewichtsexplosion“ für die zukünftige Generationen. Im Jahr 1975 waren weltweit nur elf Millionen Kinder zu dick, inzwischen sind es bereits 124 Millionen (ebd.). In einem Haushalt mit mehreren Konsumente gibt es meist auch unterschiedliche Bedürftnisstrukturen. Da der Haushalt aber nur über begrenzte Ressourcen verfügt, müssen zwangsweise Entscheidungen über die anzuschaffenden Produkte getroffen. Eine Kaufentscheidung ist im allgemeinen die Auswahl einer Option aus zwei oder mehr alternativen Möglichkeiten (Schiffmann, Hansen, & Kanuk, 2008). Diese durch eine einzelne Person oder die ganzen Familie getroffen werden (Bebié, 1978) .Der Träger der Kaufentscheidung ist dann meist ein Erwachsener, aber auch Kinder können Einfluss auf die Entscheidung nehmen. Die Kaufentscheidung wird in der Literatur häufig als Phasenmodell dargestellt, welches hier nicht detailliert erklärt wird. Zur Gewährleistung der Einfachheit wird von einem 3-Phasen Modell ausgegangen, welches aus Problemerkennung, Informationssuche und Kauf besteht (Foscht & Swoboda, 2011). Die erste Phase ist gekennzeichnet durch die Wahrnehmung des Bedarfs oder Auftreten eines Mangels. Beispielsweise der Wunsch einer Mutter, ihrem Kind etwas Süßes zur Belohnung für zu geben. Durch den Kauf eines Produktes, soll eine Situation erzeugt werden, in der das Bedürfnis gestillt wird. Die Mutter könnte mehrere Bedürfnisse zugleich abwägen; sowohl dass sie ihrem Kind Wertschätzung zeigen, aber im gleichen Zuge für die gesunde Ernährung des Kindes sorgen möchte. Galst und White maßen wie oft ein Kind einem Werbespot ausgesetzt ist und besuchten danach zusammen mit den Eltern einen Supermarkt. Es wurde festgestellt, dass umso häufiger ein Kind einer Produktwerbung ausgesetzt war, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass es die Eltern im Supertmarkt um den Kauf bat (Galst & White, 1976). In der Phase der Informationssuche analysiert die Entscheidungsperson alle ihr auf dem Markt verfügbaren Alternativen, um herauszufinden, welches Produkt ihr Bedürfnis am geeignetsten erfüllen könnte. Die Informationen über das potenzielle Produkt werden bewusst und unbewusst aufgenommen, sowohl beim gemütlichen Schlendern durch das Supermarktregal, als auch in der Werbepause vor dem Fernseher. Solche Informationen können zum Beispiel Versprechen sein wie „Ohne Zusatz von Zucker“ oder „für eine ausgewogenen Ernährung für ihr Kind“. So wirbt zum Beispiel die Firma Storck für ihre Bonbons „Nimm2“ mit Sprüchen wie: „Vitamine und Naschen“ oder „Nimm2 – damit die Vitamine stimmen“ (Storck, 2018). Der Träger der Kaufentscheidung wird beim Schauen eines Werbespots auf relevante Kriterien achten. Dabei macht sich das Marketing zu nuzte, dass das Kind als Motiv in unsere psychologischen Mechanismen verankert ist. Beim Zuschauer kann mit lachenden, fröhlichen Kindern an emotionale Werte appeliert werden. Zudem wird an das Kind appeliert, welches sich mit den gezeigten Situationen identifizieren kann und in dem das Bedürfnis, beispielsweise nach Spaß und Unterhaltung, geweckt wird (Calvert, 2008). „Die kognitiven Fähigkeiten der Kinder lassen es nicht zu, die persuasiven Botschaften der Werbung zu erkennen. Die Kinder glauben, dass die Werbung dazu da ist, um ihnen mit ihrer Kaufentscheidung zu helfen“ (ebd.). Dies kann aber auch ein Trugschluss sein, denn alleine im Jahr 2017 war der FMCG Hersteller Ferrero mit den Werbeausgaben in Deutschland von über 440 Millionen € auf Platz zwei, kurz darauf gefolgt von Coca-Cola mit 170 Millionen (Statista, Hersteller mit den höchsten Werbeausgaben, 2017). FMCG (Fast-moving consumer goods) sind Produkte, welche relativ wenig kosten, aber schnell aus dem Regal genommen werden. Dazu zählen beispielsweise auch oft die Süßigkeiten direkt vor der Kasse. Sandra Calvert (2008) zeigte in ihrer Forschung, dass Kinder im Vergleich zur Generation ihrer Eltern, sowohl mehr eigenes Einkommen zur Verfügung haben, als auch mehr Einfluss auf die Kaufentscheidung ihrer Eltern ausüben. Calvert zufolge enthält bezahltes Marketing, dass Kinder als spezielle Zielgruppe hat, besonders häufig Produkte wie Spielzeug. Zweithäufigstes beworbenes Produkt in den Werbespots für Kinder sind Lebensmittel, welche einen „besonders hohen Zucker- und Fettanteil haben und relativ weniger reich an Nährwerten sind“(ebd.). Weber und Kollegen (2006) fanden, dass süße Softdrinks und Getränke, Fast Food, Cerealien, Kekse, Salzige und Süße Snacks, die unter Kindern beliebtesten Produktkategorien sind. Zudem sei das Marketing eben dieser Kategorien auf die Zielgruppe von Kindern zugeschnitten (ebd.). Cairns und Kollegen (2013) zeigten in einer Meta-Analyse von 99 Studien über die Effekte von Lebensmittel Marketing auf Kinder, dass ein Anteil von 63% der Werbung zwischen Kinderprogrammen für Lebensmittel warben, wohingegen nur 18% der Werbung während der Prime Time aus Lebensmittelwerbung bestand. Zudem behaupten sie, dass für Kinder hauptsächtlich persuasive Appelle benutzt werden, welche sich auf den Geschmack (34%) oder Spaß und Unterhaltung (18%) bezogen. Nur 2% der Lebensmittelwerbungen, welche auf Kinder abzielten, warben mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung (ebd.). Die vorliegenden Untersuchungen zu diesem Thema werden vor allem in den Nord- und Mittelamerikanischen Räumen durchgeführt. Nur wenige aktuelle empirische Funde wurden im europäischen Raum durchgeführt. Deshalb, und auch da die Kinder einen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben können, ist es besonders wichtig, die Vermarktung von zuckerhaltigen Lebensmitteln im deutschen Fernsehen zu untersuchen. Trotz der Prämisse, dass mehr gezieltes Marketing auf die Persuasion von Kindern entwickelt wird, wird mit den vorliegenden Daten trotzdem nur die tatsächliche Anwesenheit von Kindern im Werbespot untersucht.
Zur Untersuchung werden folgende Hypothesen aufgestellt:
Je höher der durchschnittliche Zuckergehalt einer Produktkategorie ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinderschauspieler im Werbespot zu sehen sind
Je höher der durchschnittliche Zuckergehalte eines Produktes ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinderschauspieler im Werbespot zu sehen sind
Es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen dem Appell an Spaß und Unterhaltung, und dem Auftauchen von Kinderschauspielern im Werbspot.
Methode
Zur Untersuchung des Zuckergehalts in Werbespots wurde ein Projektteam aus 29 studentischen Codern und Kräften des Lehrkörpers der Universität Hohenheim gebildet. Der Codeplan wurde auf der Basis einer Herausgabe der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 2016 (siehe WHO, 2016) und weiterer Recherche in Zusammenarbeit aller eingesetzten Coder entwickelt. Das Ziel des Projektes ist eine detaillierte inhaltliche Analyse von Lebensmittelspots im Bezug auf die verwendeten Gesundheitsbezüge, der verwendeten persuasiven Appelle, dem Auftreten von Prominenten und Kindern und durch nachgelagerte Datenbankrecherche, der Zusammensetzung der beworbenen Produkte. Der Codeplan umfasst eine Strukturcodierung, welche verschiedenste Metadaten des Werbespots beschreiben sollte. Zum Beispiel das Aufnahmejahr, den Sender, den Wochentag, den Namen des Coders und den Typ des Werbespots. Dabei wurden die Lebensmittelwerbespots von Nicht-Lebensmittelwerbespots unterschieden. Diesem Filter folgte eine Kategorisierung der Nicht-Lebensmittel Spots in eine oder mehrere von 18 Produktkategorien wie zum Beispiel Schmuck, Bücher oder Autos. Ein Ziel der Strukturcodierung war es auch, den relativen Anteil der Lebensmittel Werbungen im Vergleich zu anderen Produkten zu erfassen. Die Lebensmittelspots wurden zusätzlich zur Strukturcodierung, noch in einer dafür erstellten Inhaltscodierung genauer betrachtet. Der Codeplan enthielt verschiedenste Variablen zum Inhalt der Werbung, wie zum Beispiel zur Darstellung von Kindern, der gezeigten Produktkategorie des Lebensmittels, den Markenfiguren, den Persuasiver Appelle an das Publikum, den Gesundheitsbezüge, sowie eine Ermittlung der Nährwerte der jeweiligen beworbenen Produkte. Die zur Verfügung gestellte Stichprobe besteht im gesamten aus 1198 Werbeblöcken, welche wiederum aus mehreren Werbespots bestehen können. Es wurden 283 Werbeblöcken aus dem Jahre 2008, 289 Werbeblöcken aus dem Jahre 2012 und 626 Werbeblöcken aus dem Jahre 2016 bereitgestellt. Dabei wurden aus den Jahren 2008 und 2012 die Werbeblöcke der Sender ARD, ZDF, RTL2 und Kabeleins untersucht; das Jahr 2016 enthiehlt zudem zusätzlich noch Werbespots der Sender RTL, Sat.1, Pro7 und VOX. Die zu codierenden Werbeblöcke wurden systematisch an die Coder verteilt, sodass circa 3 Stunden und 15 Minuten Filmmaterial pro Person netto codierte. Schätzungsweise wurde ein Codieraufwand von 9 1/2 Stunden pro Coder erwartet. Es wurden insgesamt 1190 Werbeblöcke codiert, welche 11601 Werbespots enthielten. Tabelle 1 zeigt die Anteile der Sender in der Gesamtstichprobe, dabei sind knapp 50% der Werbespots aus den Programmen von kabeleins und RTL2.
Sender |
Anteil |
RTL |
7% |
SAT1 |
9% |
ARD |
7% |
ZDF |
9% |
Pro7 |
10% |
VOX |
10% |
RTL2 |
26% |
Kabel1 |
22% |
Die Proportionen der einzelnen Sender in der Stichprobe verteilen sich wie folgt: Die codierten Werbespots stammen zu 20% aus 2008, zu 21.6% aus 2012 und zu 58.3% aus dem Jahre 2016. Da die Analyse sich auf die Marketingstrategie der Werbetreibenden bezieht wird keine Unterscheidung der Sender oder Jahre angenommen. Es werden alle Werbespots ausgeschlossen, welche durch die Variable s3 (Typ des Werbespots), nicht als Lebensmittelwerbung identifiziert wurden (80.1%). 2.1% der Lebensmittelspots wurden ebenfalls ausgeschlossen, da sie keine erkennbaren Produkte enthielten und damit keine Inhaltscodierung erfahren haben (n = 241). In die Analyse wurden nur Codierungen einbezogen, die bei der Variable s3 den Wert „1“ besitzen, welche 17.8% der Gesamtstichprobe ausmachen. Damit ergab sicht eine Gesamtanzahl von insgesamt n = 2065 codierten Werbespots für die durchzuführende Analyse. Die Berechnung der Ergebnisse wurden mittels der Programmiersprache R durchgeführt. Die Berechnungen basieren auf einem Bootstrapping-Sample mit 10000 Einheiten und es werden standardisierte Koeffizienten ausgegeben. Zur Berechnung der logistischen Regressionen wurde das R-Paket lavaan und die Funktionen glm() und lm() verwendet. Zu der Hypothese 1 (Je höher der durchschnittliche Zuckergehalt einer Produktkategorie ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinderschauspieler im Werbespot zu sehen sind.) ist die Produktkategorie die kategoriale Prädiktorvariable, während die vorherzusagende Variable der Kinder als binominale Variable (0 = kein(e) Kind(er) im Werbespot; 1 = Kind(er) im Werbespot) in das Modell einbezogen wird. Zur Untersuchung der Hypothese 2 (Je höher der Zuckergehalt eines Produktes ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinderschauspieler im Werbespot zu sehen sind.) bildet der Zuckeranteil pro 100g unabhängig von der Produktkategorie eine kontinuierliche Variable, welche die binominale Variable der Kinder vorhersagen soll. Die Stichprobe wird für die Hypothese 3 zudem auf die enthaltenen persuasiven Appelle untersucht. Die Variablen i13h heißt Spass/ Unterhaltung, und gibt in einer dummy Codierung an ob der Werbespot z.B. Humor, Lachen, Party oder Ironie enthält (0 = kein Appell, 1 = Appell vorhanden). Um den Zuckerinhalt und die Produktkategorisierung für die Analyse vorzubereiten wurde diese Stichprobe weiter untersucht und es wurden dabei neue Kategorien erstellt. Die in der Inhaltscodierung benutzte Produktkategorisierungsvariable i14 enthält 25 nominale Kategorien sowie eine Kategorie „Sonstiges“ für nicht zuordenbare Produkte. Weiterhin werden alle Werbespots augseschlossen, die eine fehlende Angabe zum Zuckergehalt haben.
Ergebnisse
Von 2065 codierten Werbespots besitzen 59% (n = 1221) keine Nährwertangabe zum Zuckergehalt. Aufgrund der fehlenden Angabe des Zuckergehaltes kann nicht geschlossen werden, dass das Produkt keinen Zucker enthält. Deshalb werden nur Produkte in die Berechnung einbezogen, welche eine distinktive Angabe über den relativen Zuckeranteil besitzen. Von den 844 verbleibenden Werbespots enthalten 170 codierte Produkte 0g Zucker pro 100g Lebensmittel und 674 enthalten zwischen 0.1g und 98g Zucker pro 100g. Ein zuckerhaltigesProdukt enthält im Durchschnitt 22.57g / 100g (SD =23.17).

Abbildung 1 zeigt die absoltuen sowie prozentualen Anteile der Lebensmittel, zu welchen eine Angabe des Zuckergehaltes vorliegt. 170 der Lebensmittel, welche eine Angabe zum Zuckergehalt besitzen, haben 0g Zucker pro 100g Lebensmittel. Hierzu zählen beispielsweise Mineralwasser und Käse, aber auch süße Lebensmittel, wie zuckerfreie Getränke und Kaugummi, welche ihre Süße durch durch Süßstoffe erhalten. Süßstoffe sind Lebensmittelzusatzstoffe, welche durch ihre kalorienarme Süßkraft den Zuckeranteil in Lebensmitteln verringern oder ganz ersetzen sollen. Die Zugabe von Süßstoffen wird durch gesetzliche Bestimmungen geregelt und diese müssen, mit Hilfe der zugehörigen E-Nummer oder namentlich, auf der Verpackung ausgewiesen werden. Obwohl durch die gesetzlichen Verfahren und Regelungen von einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit ausgegangen wird, dürfen Süßstoffe grundsätzlich nicht für die Herstellung von Säuglings- und Kleinkindnahrung verwendet werden. (Tummel, Trurnit, Lobitz, Kaufmann, & Spaeth, 2014) Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, werden Produktkategorien mit einem Anteil von weniger als 1,5% an der Gesamtstichprobe, nicht in die Analyseeingeschlossen. Daraus ergeben sich sich insgesamt 11 Kategorien; wovon jede zwischen 16 und 298 Werbespots enthält. Abbildung 2 zeigt die Verteilung der 844 Lebensmittel mit Angaben zum Zuckergehalt in die verschiedenen Kategorien.

Die Kategorien unter einem prozentualen Anteil von 1,5% sind aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht beschriftet. Alkohol wird hier als Sonderkategorie betrachtet: Zwar wird Alkohol aus der Fermentierung von Zucker gewonnen und süße Mixgetränke wie Alcopops enthalten Zucker, aber ist der Konsum von Alkoholischen Getränken und Spirituosen für Kinder gesetzlich verboten (Fung, 2018). Tabelle 2 veranschaulicht die Anzahl der Werbespots, in denen ein Kind zu sehen ist in Spalte 3, sortiert nach den Produktkategorien.
Anzahl Werbespots |
Davon mit Kind |
Zucker* min. |
Zucker max. |
Mean |
SD |
|
Nicht gebackenes / Süßes |
298 |
109 |
0.00 |
98.00 |
45.72 |
15.52 |
Süße Fertiggerichte |
32 |
15 |
12.70 |
65.00 |
38.32 |
20.95 |
Gebackene süße Produkte |
26 |
7 |
9.00 |
50.00 |
27.18 |
14.41 |
Pikante Snacks |
18 |
1 |
2.00 |
74.00 |
16.83 |
17.10 |
Milchprodukte |
88 |
35 |
0.00 |
15.00 |
10.88 |
3.78 |
Säfte |
21 |
3 |
9.00 |
11.67 |
10.07 |
1.06 |
Energydrinks |
24 |
0 |
5.50 |
12.00 |
10.02 |
2.40 |
salzige Fertiggerichte |
99 |
18 |
0.00 |
38.00 |
4.90 |
8.45 |
Käse, Frischkäse |
34 |
21 |
0.00 |
11.00 |
2.79 |
2.10 |
Getränke (sonst.) |
80 |
1 |
0.00 |
11.50 |
2.64 |
3.81 |
Alkohol |
43 |
0 |
0.00 |
12.00 |
2.61 |
4.61 |
Zudem wird eine Einteilung der Kategorien in eine ordinale Systematik aufsteigend nach dem durchschnittlichen Zuckeranteil je 100g Lebensmittel gezeigt. Die Produktkategorie ‚Alkohol‘ hat mit 2.61g/ 100ml den geringsten Durchschnittsgehalt und wird deshalb
in die Kategorie 1 sortiert. Nicht-gebackene Süße Produkte‘ wie Schokolade und Fruchtgummis haben mit 45.72 g/ 100g den höchsten durchschnittlichen Zuckergehalt und bilden die höchste Kategorie Nummer 11.
Die Spearman Korrelation zeigt einen signifikant positiven Zusammenhang von 0.80 (p
< 0.001) des Zuckergehaltes eines Lebensmittels und der zugeordneten Produktkategorie.
Hypothese 1 behauptet, dass „Je höher der durchschnittliche Zuckergehalt einer Produktkategorie ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinderschauspieler im Werbespot zu sehen sind“.
Das Regressionsmodell zeigt, dass wenn man ein höhere Lebensmittelkategorie betrachtet, die Wahrscheinlichkeit des Auftritt eines Kindes im Werbespot um 0.157 erhöht ist (AIC = 850.96, p
< 0.001 mit df=1 ). Die Varianzanalyse zwischen dem Nullmodell und des getesteten Modelles ergibt einen signifikanten Unterschied (McFadden R²=0 .049, chi²=4 4.43, p < 0.001 mit df=1 ).
Der Zusammenhang der Kategorie (kurz „cat“ genannt) und der Erscheinung von Kindern im Werbespot („child“) wird veranschaulicht durch den Plot in Abbildung 3:
Hypothese 2 behauptet, dass „Je höher der Zuckergehalt eines Produktes ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinderschauspieler im Werbespot zu sehen sind“. Der Zuckeranteil als kontinuierlicher Prädiktor zeigt im logistischen Regressionsmodell
einen signifikant positiven Effekt auf die Anwesenheit von Kindern im Werbespot (GLM, AIC = 823.09, Est. = 0.031, p
< 0.001 mit df=7 51, McFadden R²=0 .081). Der Zusammenhang wird zusätzlich als Plot verbildlicht in Abbildung 4 dargestellt:
Hypothese 3 behauptet, es gäbe einen positiven Zusammenhang zwischen dem Appell an Spaß und Unterhaltung und dem Auftauchen von Kindern im Werbespot. Die Ergebnisse werden zunächst durch einen Scatterplot in Abbildung 5 veranschaulicht.
Es lässt sich durch die eingezeichnete vorhergesagte Gerade bereits ein leicht positiver Zusammenhang erahnen. Zur Prüfung wird eine Pearson Korrelation berechnet, welche einen positiven statistisch signifikanten Zusammenhang von .27 (p < 0.000 mit df=8 42) ergibt.
Diskussion
Es konnte, wie auch vorherige Forschung indiziert, ein Zusammenhang zwischen dem Zuckergehalt in einem Lebensmittel und dem Zeigen von Kindern im Werbespot, festgestellt werden. Damit können die vermuteten Hypothesen angenommen werden. Dieses statistische Ergebnis soll vorsichtig zu interpretieren sein; das alleinige Darstellen einer alltäglichen Situation kann auch Kinder zeigen, welche das Produkt nicht konsumieren. Das bedeutet, nur weil ein Kind in der Werbung in Erscheinung tritt, ist es nicht zwangsläufig ein Produkt für Kinder. Zudem kann man nicht durch den bloßen Zusammenhang von Kindern und persuasiven Appellen von Spaß und Unterhaltung davon ausgehen, dass nur ungesunde Produkte damit beworben werden. Es lässt sich aber Schlussfolgern, dass wir unsere Kinder zu schützen haben, indem wir ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien beibringen. Das Marketing könnte sich an andere pschologische Bedürfnisse der Entscheidungstragenden richten, zum Beispiel Familienglück und Harmonie. Die hier vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf die Variable der ‚Darstellung von Kinder‘. Dieses kann in der Realität sehr subjektiven Verzerrungen ausgesetzt sein. Beispielsweise wenn die Abgrenzung zwischen Kind und Erwachsenem nicht klar zu erkennen ist. Man kann den Schauspieler nicht nach seinem Alter fragen, sondern es wird anhand des Verhaltens eingeschätzt, ob es sich um ein Kind handelt. Weiterhin könnte es unklar sein, ob nur die Kinder einbezogen werden, welche eine klare Haupt- oder Nebenrolle im Werbespot spielen. Kinder im Hintergrund, welche keine Beziehung zum Produkt oder dem Zuschauer haben, können trotzdem eine Atmosphäre schaffen, in der eine gewisse Botschaft vermittelt wird. Es könnte hier differenziert werden zwischen den Zielgruppen, die vom Werbespot angesprochen werden. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn man eine schwangere Frau beim Einkauf der Erstaustattung für ihr Ungeborenes zeigt. Hierbei würden wahrscheinlich kinderfreundliche Lebensmittel beworben, obwohl keine Kinder gezeigt werden. Weitere Limitation der Analyse ist, dass die Hypothesenbildung im Anschluss an die eigentliche Untersuchung stattgefunden hat. Der Datensatz wurde nicht anhand der hier verwendeten Theorie erstellt, sondern es wurden erst im Nachgang die vermuteten Zusammenhänge getestet. Eine weitere Kritik ist die Ungleichverteilung innerhalb der Stichprobe. Hier wurden 50% der untersuchten Werbespots aus nur 2 Sendern bezogen, von diesen Werbespots hatten nur 41% eine Angabe zum Zuckergehalt, und davon waren wiederum 41% nur aus einer einzigen Kategorie, den Süßigkeiten. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte sein, dass die Sortimentvielfalt bei Süßigkeiten und Schokolade mehr Varianten, Verpackungsgrößen und Aktionen zulässt als andere Lebensmittel. Denkt man in ganz pragmatischer Weise an den Unterschied des Marketingrepertoires für Schokolade, so kann man zu jedem Feiertag, Valentinstag, Muttertag, oder zu jeder Kombination als Eis oder limitierten Zutaten eine eigene Sorte erstellen. Wohingegen ein Mineralwasser oder Frischkäse vergleichsweise schwer in vielen verschiedenen Variationen geboten wird. Was nicht bedeutet, dass Süßigkeiten und Schokolade mehr Berechtigung zur vielfältigen Vermarktung hätten, denn natürlich lassen sich auch Wasser und Frischkäse mit neuen Geschmacksrichtungen, Gewinnspielen und Spendenaktionen immer neu im Werbespots zeigen. Trotz dessen könnte die Variable der Süßigkeiten in Zukunft in mehrere Unterkategorien unterteilt werden, so dass eine noch differenziertere Untersuchung stattfinden kann. Zudem sollte eine größere Stichprobe in Zukunft für eine bessere Repräsentation der übrigen 24 Kategorien sorgen, denn es wurden alle Kategorien eliminiert, welche zu wenig Werbespots enthielten. Man empfiehlt für lineare kategoriale Prädiktoren sogar eine Anzahl von mindestens 50 Fällen pro Kategorie. Zudem könnten die Angaben zum Zuckergehalt unter Zuhilfenahme anderer Datenbanken den Ausschluss der fehlenden Werte begrenzen. Konkrete Implikationen für die weitere Forschung könnten sein, dass das Verhalten der Kinder differenzierter untersucht und codiert wird. Es könnten weitere Variablen erstellt werden, wie der Konsum des Lebensmittels durch das Kind, eine Kindgerechte Ansprache oder Erzählweise oder der Appell an die Eltern des Kindes, das Produkt für das Kind zu erwerben. Zudem sollte festgestellt werden, inwiefern die Persuasion der Lebensmittelwerbespots das Wissen und Handeln der Kinder beeinflusst. Denn, nur weil ein ungesundes Lebensmittel stark beworben wird bedeutet das nicht, dass dieses der Grund für die steigende Zahl der Herzkreislauferkrankungen und Diabetis in der nächsten Generation sein wird. Zu einer gesunden Ernährung gehört mehr als nur der Verzicht oder das richtige Maß der Süßigkeiten. Die Verantwortung der Information liegt sowohl bei der Forschung, der Gesetzgebung, den Eltern, den Bildungseinrichtungen und den Herstellern. Das bedeutet nicht, dass die Eltern ihren Erziehungsauftrag an die Süßigkeitenkonzerne abgeben sollen, sondern dass die Kinder ausreichend Informationen über ein gesundes Konsumverhalten bekommen. Marketingbeauftragte sollten Verantwortung für die Gefährdung der Gesundheit einer jungen Zielgruppe übernehmen. Denn auch wenn Kinder bereits im jungen Alter an eine ungesunde Ernährung gewöhnt werden, bedeutet das nicht, dass das Unternehmen sich langfristig einen stabilen Gewinn aufbaut. Jedes Unternehmen trägt auch eine Soziale Verantwortung dafür, sein Produkt wahrheitsgemäß zu präsentieren. Wenn das aber bedeutet, dass durch den alleinigen oder übermäßigen Verzehr des Produktes eine Mangel- oder Übernernährung statttfindet, dann sollte der Verbraucher dementsprechend darüber aufgeklärt werden. Das Unternehmen McDonald’s beispielsweise gab für seine Mitarbeiter eine Anleitung heraus, dass das zur Verfügung gestellte kostenlose Mittagessen nur ein- bis zweimal pro Monat in Anspruch genommen werden sollte. Nur so könne eine ausgewogene und gesunde Ernährung gewährleistet werden. Eine Form der erfolgreichen Gesetzgebung sieht man an der Zuckersteuer. Ähnlich wie die Tabak- und Alkoholsteuer kann durch die Preiserhöhung eine Demotivation zum Konsum erzeugt werden. So wie die Werbung von Tabak stark eingeschränkt wurde, könnte auch die Werbung von stark zuckerhaltigen Lebensmitteln in Zukunft durch den Gesetzgeber stärker reguliert werden. Die Kommunikationsforschung trägt im Fall der Fernsehwerbung für Kinder eine besondere Verantwortung, denn die Süßigkeiten und Getränke Hersteller geben immer mehr Geld für persuasives Marketing aus.